In Japan habe ich mich vorwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegt. Nur gelegentlich und für kurze Strecken bin ich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Taxi unterwegs gewesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass das System des öffentlichen Verkehrs im Vergleich zu Deutschland gefühlt dichter ist. Im ländlichen Bereich fiel ich dann doch manchmal durch die Maschen.

In den Städten hatte ich den Eindruck, dass Nahverkehr sehr gut organisiert, aber auch ziemlich teuer ist. Der Fernverkehr - hauptsächlich bin ich Shinkansen gefahren - ist noch viel besser organisiert und auch nicht billig.

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Streckennetz des Shinkansen (Quelle: WikiCommons/Hisagi)

Durch die hohe Bevölkerungsdichte in Japan werden täglich etwa 46.000 Passagiere pro Streckenkilometer befördert, in Deutschland sind es nur 5.000 (sagt Wikipedia). Daher sind auch die Taktraten auf den Hauptstrecken teils extrem hoch. So hat der Tokaido-Shinkansen in Nagoya eher die Anmutung einer U-Bahn. Pro Fahrtrichtung gibt es zwei Bahnsteige, und gerade in den Hauptverkehrszeiten fahren die aufeinanderfolgenden Züge so dicht, dass trotz kurzer Haltezeiten stets mindestens ein Zug im Bahnhof steht.

Shinkansen

Shinkansen (新幹線) bedeutet “neue Stammstrecke” und ist das Hochgeschwindigkeitsnetz in Japan. Es wird von den nach Region aufgegliederten JapanRail-Gesellschaften betrieben einen Überblick über Technik und Organisation liefert Wikipedia.

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Im Bahnhof Nagoya wirkt der Shinkansen zur Hauptverkehrszeit eher wie eine U-Bahn: parallele Ein- und Ausfahrten selbst in die lgleiche Richtung sind häufig zu beobachten.

Es gibt im Shinkansen-Netz verschieden schnelle Züge, die sich in der Häufigkeit der Zwischenhalte unterscheiden. Eine ungefähre Entsprechung in Deutschland sind der ICE und ICE-Sprinter, in Japan ist das jedoch noch deutlich diverser.

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In Tokyo treffen viele Linien aufeinander: Hinten ein N700 (JR Central), im Vordergrund ein E5 und E6 (JR East).

Fahrpreise

Um die Fahrpreise von ICE und Shinkansen zu vergleichen habe ich Verbindungen zwischen großen Städten herausgesucht. Zudem habe ich die Entfernung abgeschätzt und daraus einen Kilometerpreis für diese Strecke berechnet.

In Deutschland habe ich für verschiedene Direktverbindungen den Normalpreis in der zweiten Klasse ohne Sitzplatzreservierung ausgewertet, die folgende Tabelle zeigt die Daten.

von nach Entfernung (km) Preis (€) Preis (€/km)
Hamburg Berlin 290 79 0,272
Berlin Köln 580 120 0,207
Berlin München 585 132 0,226
Berlin Frankfurt 550 126 0,229
Dortmund München 600 145 0,242
Hannover Basel 670 138 0,206
Nürnberg Göttingen 346 84 0,243
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Ticketschranken, wie hier in Akita, sind üblicherweise die einzige Fahrkartenkontrolle. Der Zugang zum Shinkansen ist hier abgesperrt, da der Betrieb aufgrund von Überschwemmungen im Juli 2017 für eine Woche partiell eingestellt wurde.

In den meisten Shinkansen ist eine Sitzplatzreservierung erforderlich, nur wenige Züge haben auch unreservierte Wagen. Zusätzlich zur Beförderungsleistung bezahlt man also noch eine Reservierungsgebühr, die meist die Hälfte des Fahrpreises ausmacht. Selbst für unreservierte Sitzplätze muss man so bezahlen, und auch für Stehplätze scheint es extra Karte zu geben, die die Wagennummer vorschreiben. Diese habe ich jedoch nie gesehen oder genutzt, ich weiß daher nicht, ob sie auch bezahlt werden müssen.

Die folgenden Direktverbindungen zwischen großen Städten beinhalten also sowohl das Beförderungsentgelt als auch eine Sitzplatzreservierung in Äquivalent der zweiten Klasse. Der zugrundeliegende Wechselkurs ist 1€ ~ 130¥.

von nach Entfernung (km) Preis (¥) Preis (€) Preis (€/km)
Nagoya Tokyo 366 11.290 86,85 0,237
Osaka Tokyo 556 14.650 112,69 0,203
Sendai Tokyo 352 11.490 88,38 0,251
Shin-Aomori Tokyo 714 17.550 135,00 0,189
Hiroshima Tokyo 894 19.280 148,31 0,166
Hiroshima Osaka 345 10.640 81,85 0,237
Kagoshima Osaka 918 22.100 170,00 0,185
Akita Tokyo 662 18.140 139,54 0,211
Niigata Tokyo 334 10.770 82,85 0,248
Kanazawa Tokyo 450 14.320 110,15 0,245
Hakodate Tokyo 862 22.890 176,08 0,204
Hakodate Sendai 510 17.510 134,69 0,264

Die Preisunterschiede sind, auf den Kilometer umgerechnet, relativ gering. Teilweise sind die Preise in Japan sogar signifikant geringer (z.B. Hiroshima - Tokyo). Allerdings gibt es dafür in Japan keinerlei Bahncards oder Sparpreise. Zeitkarten (Commuter-Tickets) gibt es, werden jedoch hauptsächlich von Pendlern benutzt.

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Die Sitzreihen blicken alle in die gleiche Richtung, am Zielbahnhof werden sie umgedreht.

Für Ausländer mit Touristenvisum gibt es den JapanRailPass, der für einen Zeitraum von ein, zwei oder drei Wochen die Benutzung aller JR-Züge inklusive Shinkansen mit Sitzplatzreservierung erlaubt.

In der reichlichen Woche, die in in durch das Land gereist bin, habe ich Beförderungsleistungen im Wert von über 80.000¥, etwa 630€ in Anspruch genommen. Der JapanRailPass war für mich also ungefähr eine BahnCard 50. Bei einer intensiven Nutzung kann sich der Pass also schnell lohnen, zumal die Bindung an konkrete Tickets entfällt. Einfach mit dem Pass durch die Schranke gewunken zu werden und sich in den nächsten Zug zu setzen ist äußerst bequem.

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Extrem viel Beinfreiheit, da stört auch ein zurückgeklappter Sitz nicht. Hinter der letzten Reihe befindet sich der einzige größere Raum für Gepäckstücke.

Fazit

Im Vergleich mit dem ICE ist der Shinkansen, egal welche Baureihe, wesentlich bequemer. Einerseits gibt es viel Beinfreiheit, andererseits ist ruhiges Reisen durch die gemeinsame Blickrichtung und die eher auf Rücksicht ausgerichtete japanische Kultur gewährleistet. Die neuen Baureihen haben auch Steckdosen. Ein weiterer Pluspunkt des Shinkansen ist die Püntlichkeit. Bei einer mittleren Verspätung von 6 Sekunden kann man sich auf eine planmäßige Reise verlassen, das trägt zur Entspannung bei. Der JapanRailPass ist ebenfalls eine tolle Erfindung, ich kann den Neid der Japaner auf die Gaijin verstehen.

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Markierungen auf dem Boden zeigen die Türen und die Aufstellflächen an.

Daten

Datenquellen für diesen Beitrag:

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Das Bahnhofsgebäude von Tokyo stammt von 1914 und ist für Japan ein eher untypisches Bahnhofsgebäude.