Eine Wintertour im hohen Mittelgebirge, das wär doch schön! So dachten wir, und planten eigentlich die Erzgebirgskammloipe, aber in Ermangelung von Schnee verlegten wir uns etwas weiter nach Nord-Osten.

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Unsere Route von Liberec nach Harrachov

In Liberec ist von Schnee keine Spur, mit den Ski fühle ich mich etwas fehl am Platz. Im Bus nach höher gelegenen Vorort Bedřichov hingegen drängen sich die Langläufer in ihren schicken Outfits.

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Dichtes Gedränge am Loipenstart in Bedřichov

Entpsprechend ist auch der Loipenstart in Malinik gerammelt voll mit Menschen. Dazu ist es leicht über Null, der Schnee etwas vereist und ich muss erstmal wieder auf die Ski finden, nach einem Jahr Abstinenz. Auf der Loipe ist es ensprechend voll, ständig Gegen- und Überholverkehr, dazu passe ich mit meinen Tiefschnee-Ski nicht in die Spur.

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Blick über die Abbruchkante im Norden des Isergebirges

Oberhalb von Hejnice erhaschen wir ein paar Aussichten über die schroffe nördliche Kante des Isergebirges, aber Wind und volle Spur machen das Verweilen streckenweise etwas anstrengend. Nach über 20 Kilometern haben wir uns eine Pause redlich verdient, und nächtigen im Fichtendickicht im nordöstlichen Hochplateau des Isergebirges. Der neue Tag bringt Regen — viel Regen, sodass an Zelt abbauen und einpacken nicht zu denken ist. Also Erholung. Am Nachmittag lässt der Regen nach, dafür kommt starker Wind auf und rüttelt am Zelt. Als Gegenwehr bauen wir einen Schneewall, die Nacht ist trotzdem recht unruhig und windgeplagt.

Am Morgen ist das Wetter freundlich, und wir fahren über Jizerkas teils gefrorene Wiesen, beobachten Langläufer beim in den Bach einbrechen und nehmen einfach die Brücke. Vom vielen Regen sind Jizerka und Jizera braune tosende Ströme, und auch die Loipe ist an manchen Stellen von Schmelzwasserbächen fortgeschwemmt worden.

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Schmelzwasser unterbricht die Loipe

Auf dem Weg nach Orle kommen wir an der Brücke über die Jizera an einem sehr netten Rastplatz vorbei. Zudem scheint die Sonne, das hebt die Stimmung beträchtlich.

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Sonnenschein am Zusammenfluss von Jizera und Jizerka

Der Waldweg nach Orle ist schmal und steil, sodass ich Teile zu Fuß gehe. Dort erwartet uns wieder (diesmal polnische) Loipenfreude. Anders als zuvor sind die Läufer aber sportlich größtenteils deutlich weniger ambitioniert und wir fügen uns nicht schlecht ein.

Ab Jakuszyce laufen wir ein Stück auf der Europastraße 65, bevor wie ostwärts in den Wald abbiegen und ins Riesengebirge aufsteigen. Die Forststraße schlängelt sich langsam den Berg hinauf, die Szenerie ist nicht sehr abwechslungsreich. In einer Kehre nächtigen wir, um am nächsten Tag im Nebel zu erwachen.

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Dichter Nebel oberhalb von Harrachov

Im Nebel fängt es dann im Aufstieg zur Vosecka bouda an zu regnen und ich stelle fest, dass ich auf Regen während einer Skitour äußerst unzureichend vorbereitet bin. So durchnässt es uns beide, und mein Schlafsack wird ebenfalls reichlich nass. Zusammen mit dem fortgesetzten Regen, Nebel, nassen Zelt und der gemütlichen Wärme in der Vosecka beschließen wir dort zu bleiben. Ähnlich beschließen es auch einige Andere, erstaunlicherweise fast ausnahmlos Deutsche.

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Abschied von der Vosecka Bouda, noch immer im Nebel

Mit trockener Ausrüstung und guten Mutes machen wir uns tags darauf in die Spur Richtung Elbquelle. Der Regen ist über Nacht in Schnee übergegangen, es ist reichlich Wind aufgekommen, aber der Nebel hat sich nicht gelüftet. So ziehen wir entlang der mit Stangen markierten Winterwege durch den erfreulich pulverigen Neuschnee hinauf aufs Plateau.

Die Elbquelle ist, abgesehen von einem Wegweiser, nicht zu erkennen. Vom gemauerten Brunnen und dem Wappenrondell ist unter dem Schnee nichts zu sehen, dafür pfeift der Wind kräftig und ärgert mit kleinen Graupelkörnern. Ohne Stangen wäre bei diesem Wetter keine Orientierung möglich, aber dank der Stangen und den daran befestigten stummen Zeichen (Němé značky), die selbst unter viel Rauhreif noch zuverlässig die Richtung angeben, kommen wir gut voran.

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Ohne Stangen ist an Orientierung nicht zu denken

Unser Weg führt uns nach Norden auf den Kamm, wo wir einen Ausblick nach Polen und in die Schneegruben erhoffen. In Sturm, Graupel und Nebel ist jedoch an Aussicht nicht zu denken und an einer fehlenden Stange erwägen wir sogar kurz das Umkehren. Zum Glück wird die übernächste Stange im Nebel schwach sichtbar.

Der Schnee ist hier großflächig vereist und der Wind weht direkt in die Richtung der Schneegruben, sodass wir uns eher vorsichtig vorwärts begeben. Direkt am Rand der Schneegruben steht die alte Schneegrubenbaude, die heute eine Meteorologie- und Fernsehsendestation ist.

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Ein kurzes Wolkenloch gibt den Blick auf die Fernsehstation frei

An der Station werden wir von einem freundlichen Satellitenschüssel-putzenden Polen hineingebeten und können uns drinnen an unseren Vorräten stärken. Mit Tee und Schokolade wärmen wir uns auf, bevor es dann wieder hinaus in den Schneesturm geht. Gut gestärkt fahren wir über den vereisten Kamm und folgen dem sanft abfallenden Winterweg in Richtung Elbfall und Elbbaude (Labska bouda).

Anfangs ist der Hang noch arg vereist und der Wind bläst scharf, doch mit jedem Höhenmeter wird es freundlicher und bald fahren wir durch gemütlichen Tiefschnee, und haben sogar ein wenig Aussicht über das Tal.

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Verträumte Schneeabfahrt durch den nebligen Wald in Richtung Elbfall

An der Elbe angekommen — hier ist sie noch ein kleines Bächlein — schöpfen wir ein wenig Wasser und steigen über die verfallende Labska bouda hinauf und fahren in Richtung Süden.

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Kurzer Blick auf den Kotel

Von den Harrachover Steinen (Harrachovy kameny) gibt der Nebel kurz den Blick auf den Kotel frei und lässt die östliche Abbruchkante erahnen.

Als wir uns gerade zum Gehen wenden, reißt die Wolkendecke auf und wir haben freien Blick nach Norden über das Elbtal und die Elbbaude bis zur Fernsehstation auf dem hohen Rad. Doch genauso schnell wie der Blick sich öffnet, verschwindet er wieder, und wir fahren beglückt weiter.

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Ein Wolkenloch gibt den Blick auf Labska Bouda, Vysoke volo, Schneegrubenbaude und das Elbtal frei

Den steilen Abstieg zur Dvoračka bestreite ich anfangs gut fahrend, später schnalle ich ab und gehe lieber zu Fuß. Bald wird der Wald dichter und der verschneite Wald ist fast märchenhaft schön.

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Tief verschneiter Abstieg zur Dvoračka

Der Skiabfahrtstrubel am dortigen Skihotel ist schon etwas befremdlich, und auch im weiteren Verlauf queren wir einige Skipisten und Lifte. Schon zehn Meter abseits davon ist der Wald schon wieder ruhig und friedlich.

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Kurzer Blick ins Tal

Die nächste Nacht verbringen wir mitten im verschneiten Wald. Nach langem Festtreten des Untergrunds können wir uns vor dem einsetzenden Schneefall drinnen in Sicherheit bringen. Am nächstem Morgen jedoch hängt das Zelt bedrohlich durch und es ist sehr dunkel. Grund ist die enorme Menge Neuschnee, die alles belastet.

Das Packen und Abbauen ist so mit einigen Herausforderungen verbunden, bevor wir durch den recht nassen Schnee zum Čertova hora aufbrechen. Am Janovska skála vorbei finden wir uns schließlich auf der Abfahrspiste wieder, bevor wir die mit Abfahrern überfüllten Bergspitze erreichen.

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Harrachov vom čertova hora

Nach einer schönen Aussicht und ein bisschen Schneespaß beginnt unser Abstieg über die Süd- und Westflanke des Čertova hora, irgendwann wird der Schnee klebrig und ich trage die Ski.

Nun laufen wir durch den verschneite Wald entlang der Mumlava, kreuzen noch einmal die Europastraße und erreiche schließlich mit einigen Mühen den weit außerhalb gelegenen Bahnhof Harrachovs.

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Schneefall im Wald