Im Norden Italiens liegt ein Nationalpark mit bewegter Geschichte und wilden Pfaden. Ein tolles Wanderparadies.
Der Nationalpark Val Grande lieg im Piemont zwischen dem Lago Maggiore und dem Ossola-Tal. Dort liegt er sehr schön, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist er doch recht bescheiden zu erreichen. Eine Mitfahrgelegenheit brachte uns bis Bellinzona, von dort gab es einen Regionalzug bis Locarno, wo eine Schmalspurbahn nach Domodossola beginnt. Die Reise in dieser Bahn durch das Centovalli, ein schmales und wunderhübsches Tal, in dem man auch die Grenze überquert, ist sehr mahlerisch, aber auch ziemlich teuer.
Auf italienischer Seite weitet sich das Tal, heißt dann Val Vigezzo und beherbergt einige Städte. Unsere Wanderung startete in Re und führte uns nach Finero in einem Seitental.
Von dort aus ging es hinauf in die Gipfel des Bergrings, der das Val Grande umgibt. So gibt es keine Straße durch die enge Schlucht und nur ein paar begehbare Pässe.
Unsere erste Übernachtung fanden wir in der Alpe Cortechiuso. Diese ist eins der privaten Bivacci, die neben denen der Nationalparkverwaltung Wanderern zur freien Verfügung stehen.
Da noch relativ früh im Jahr, war der folgende Überstieg zum nächsten Bivacco über die Flanke des Cima della Laurasca noch tief verschneit. Das machte den Aufstieg, zumal neblig, nicht leichter, der lange Abstieg ging durch intensives Rutschen jedoch erfreulich zügig.
An der Alpe Scaredi überschreitet der Hauptweg von Malesco durch das Valle Loana kommend die äußere Bergkette. Wir wählten nicht den Hauptweg direkt ins Tal, sondern einen kleinen Umweg über Straolgio. Dort gibt es ein Bivacco, das gerüchteweise irgendwann zu einem Agriculturo ausgebaut werden soll. Fraglich ob sich das lohnt.
Der Abstieg nach In la Piana führt durch das schöne Hochtal hinab durch dunkle Buchenwälder bis an das Ufer des Rio Valle Rosso. Diesen kann man ganz bequem auf einer Hängebrücke überqueren.
Direkt unterhalb der Brücke gibt es einen strandartigen Uferabschnitt mit einigen Becken, die bei Sonnenschein zum Baden einladen. Der dann folgende Wasserfall ist jedoch ob seiner Größe zum Baden wirklich nicht geeignet.
In la Piana bietet drei Hütten zur Unterkunft, dazu einen Hubschrauberlandeplatz, ein großzügiges Haus für die Ranger des Nationalparks. Das alte Blechbivacco auf einer Anhöhe nebenan ist da nicht mehr nötig.
Von In la Piana führte unser Weg nach Südwesten ins Val Gabbio. Dabei kommt man nach wenigen hundert Metern am Eingang in den Schluchtenweg vorbei, Warnschilder weisen auf die Gefahren hin. Der Weg ist gesperrt und sollte dringend gemieden werden - über große Strecken fehlen die Hilfsbauwerke und der Weg gilt selbst unter hartgesottenen Abenteurern als ungangbar.
Der Weg zum Val Gabbio führt zwar im Tal entlang, ist jedoch niemals langweilig. Ab und zu tun sich steile Abgründe neben dem Weg auf, dann führt er hinauf in die Bergflanke und an Felsen vorbei. Im Val Gabbio biegt dann der Hauptweg über den Fluss hinweg nach Süden ab, unser Weg führte uns jedoch weiter geradeaus, dem Rio Val Gabbio folgend.
Vorbei am gesperrten Bivacco Val Gabbio (Pericolo di crollo - Einsturzgefahr) geht es einen unscheinbaren aber markierten Pfad entlang. Später erreicht man die verfallene Alpe Borgo delle Valli, deren Nebengebäude zum Übernachten noch taugt. Ein offizielles Bivacco ist es jedoch nicht.
Im immer spärlicher werdenden Bewuchs wendet man sich irgendwann scharf rechts über den inzwischen zu einem Bach gewordenen Fluss und steigt durch die Heide hinauf nach Curt di Gubitt, einer Ansammlung von einigen Häusern. Von dort sind es noch einige Meter bis zur großen Alpe Qugiui. Vom vergangenen Reichtum ist nicht viel verblieben, die meisten Häuser sind eingestürzt und nur eins war halbwegs begehbar. Eine Nacht im verfallenen Almhaus ist nicht jedermanns Sache nicht.
Der Morgen belohnte uns mit einem wunderbaren Blick für den Aufstieg, der uns von dort weiter nach Süden auf den Bocchetta dell Usciolo führte. Von dort konnten wir auch wunderbar den Monte Leone und das bevölkerte Ossola-Tal im Süden liegen sehen.
Der Abstieg auf - wider Erwarten - markiertem Weg war mit einigen Überraschungen gespickt. So trafen wir unterwegs zwei Aspisvipern, die sich auf dem Weg sonnten. Zudem war der Weg selbst mit Markierung manchmal nur schwer zu erahnen, sodass wir manche Kehre verpassten und auf Schafspuren durch die Hänge wanderten.
Auf dem Hauptweg angekommen wandten wir uns wieder zum Val Grande. Im Blick zurück über die Wand unterhalb des Bocchetta dell Usciolo fragten wir uns schon, wie dort ein Weg durchführen kann.
Nach kurzem Aufstieg erreichten wir Colma di Premosello, wo es ein Bivacco und viele Schafe gibt.
Aufgrund vorhanderen Tagesrestenergie begaben wir uns noch auf einen Ausflug zum Punta del Proman, der 40min entfernt liegt.
Der Aufstieg führt an der Wasserquelle des Bivacco vorbei an einigen spannenden Felswänden entlang. Über den Westgrat des Berges steigt man, vorbei an einigen steilen Abhängen, schließlich auf die Spitze.
Dort hat man eine wunderbare Sicht auf das Val Grande, das untere Ossola-Tal und den südlichen Lago Maggiore. Dessen Wasseroberfläche liegt bei 193m, also fast 2km unter der Spitze. Unterhalb des Gipfels in einem Karr liegt ein kleiner Bergsee. Wiewohl noch mit etwas Schnee umgeben haben wir dort auf dem Rückweg zur Hütte ein kaltes Bad genossen.
Der nächste Tag trug uns nach Norden, wieder hinab ins Val Grande. Nahe des Bivacco Val Gabbio trafen wir wieder auf den bekannten Weg nach In la Piana, wo wir auch bald ankamen. Nach einem weiteren ausführlichen Bad im Rio Valgrande gab es für uns noch einen Abstecher auf den Mottac, der oberhalb von In la Piana zentral im Val Grande steht. Von dort hatten wir praktisch die Gegensicht zum Vortag, zudem konnten wir durch die Schlucht den dahinter liegenden Lago Maggiore erahnen.
Nach der etwas belaufeneren Route zwischen Colma di Premosello und Scaredi wandten wir uns nun nach Norden ins Valle Rosso. Der Weg führt dort durch dichten Buchenwald und ist oft mit viel federndem Laub bedeckt. Das Tal ist eng und steil und die zu querenden Flüsse teilweise recht breit. Aus dem Tal steig man schließlich hinauf zur Alpe Vald di Sopra, wo das größte Bivacco des Nationalparks steht. In diesem zweistöckigen Bivacco lebt ein Einsiedler, der sich vor einigen Jahren aus der Zivilisation zurückgezogen hat. Er ist nicht menschenscheu und auch beim Nationalpark ein gern gesehener Gast. Wir trafen ihn an, als er sich gerade im kalten Wasser des Brunnens wusch.
Durch Birkenwäldchen geht dann stetig weiter bergan, hinauf zum Bocchetta di Vald. Von dort genossen wir einen letzten Blick zurück auf das Val Grande, vor uns lag nun das obere Val Basso mit der mächtigen Nordwestwand des Pizzo Stagno.
Vom Pass ging es zügig hinab zur Alpe Bondolo. Das großzügige, aber sehr kalt-feuchte Bivacco hat einen großen Stall im hinteren Gebäudeteil.
Am folgenden Tag stiegen wir das Val Basso hinab bis ins Valle Loana. Die Straße querend ging es auf der anderen Seite hinauf über die Alpe Cortina zum Berg La Cima. Einer Schafherde folgten wir bis zum Testa del Mater, bevor wir uns über den Rücken nach Westen zurück nach Finero wandten.
Dabei kamen wir an der malerisch gelegenen Cappella del Crup sowie mehreren Almen vorbei.
Den nunmehr bekannten Weg hinunter nach Re beschritten wir zügig, und eine letzte Nacht verbrachten wir im Zelt.
In Re gibt es eine Wallfahrtskirche, die sehr neu wirkt. Das liegt daran, dass sie tatsächlich erst nach dem zweiten Weltkrieg eingeweiht wurde, und so doch nicht modern, aber durchaus neu wirkt.
Das Val Grande hat mich sehr begeistert. Da ist einerseits die nicht zu unterschätzende Infrastruktur, vor allem die frei verfügbaren Hütten sind ein idealer Platz zum Übernachten. Andererseits ist es aber wild, technisch durchaus anspruchsvoll und nicht überlaufen, sodass ich mich dort sehr wohl gefühlt habe. Jede Wandergegend wird sich in Zukunft am Val Grande messen lassen müssen, und die Messlatte liegt nicht gerade niedrig!