Die letzte und größte Tour in Grönland war eine Rundwanderung auf Qeqertarsuaq, grönländisch für große Insel. Auf dänisch heißt sie Disko-Insel. Die Tour begann mit der Fährüberfahrt über die mit Eisbergen übersääte Diskobucht. DiskoLine verbindet die Orte der Region mit regelmäßigen Fährbindungen, wobei Qeqertarsuaq auch dort nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Überfahrt begann am frühen Morgen und führte in 4½ Stunden durch die Eisberge der Diskobucht.

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Die Insel Qeqertarsuaq gehört zu den 100 größten Inseln der Erde und ist größer als Mallorca, hat aber weniger als 1000 Einwohner. Es gibt auf dieser Insel eine Stadt, die ebenfalls Qeqertarsuaq heißt. Sie liegt an der Südküste der Insel und ist an die Fähren der Diskoline angeschlossen. Die rund 900 Einwohner leben vor allem vom Fischfang, der Robbenjagd und dem Tourismus. Die Stadt wurde einst als Wal-Beobachtungsposten und Walfangstützpunkt gegründet, als Waltran noch das Öl der Weltwirtschaft war. Zudem wurde von hier aus durch den Inspektor des dänischen Innenministeriums der gesamte Nordwesten Grönlands verwaltet. Heute ist von diesem Glanz nicht viel mehr übrig als das lokale Museum im Haus des Inspektors. Das Museum beschäftigt sich einerseits mit der Geschichte der Kolonisation, und wie sich die Beteiligung der Inuit an der Verwaltung entwickelt hat, und andererseits gibt es im Obergeschoss eine Ausstellung über das traditionelle Leben der Inuit. Dabei fallen besonders die Zeichnungen von Jacob Danielsen auf, die anfang des 20. Jahrhunderts in sehr naivem Stil gemalt wurden und in Bildgeschichten bestimmte Ereignisse oder Situationen schildern. Jacob Danielsen wurde am 14. August 1888 in Kangerluk geboren, und lebte dann lange in Qeqertarsuaq. Bilder von ihm gibt es hier. Der sogenannte Zeltplatz im Osten der Stadt hinter der Forschungsstation der Kopenhagener Universität, am Eingang des Itinneq Kangilleq (dän. Blæsedalen) hat keinerlei Infrastruktur. Es gibt nur einen Bach, der durch das Gelände fließt und einige flache grasbewachsene Stellen. Die Stadt liegt an einer kleinen Halbinsel, an der sich die Eisberge fangen. Ihre schiere Größe ist kaum zu glauben.

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Die Eisberge vor der Stadt sind unglaublich groß.

Ganz im Süden der Halbinsel befindet sich ein alter Walbeobachtungsposten, genannt Udkikken. Dort saß ich lange und habe Eisberge, Boote und Wale beobachtet. Die Wale ziehen in der fischreichen Disko-Bucht ihre Jungen auf und sind heute eine der großen Touristen-Attraktionen der Region. Die Walbeobachtung ist dagegen etwas weniger spektakulär, als man sie aus Dokumentarfilmen kennt. Sehr selten nur sah ich einen Wal mit der Fluke schlagen, oft sieht man einfach nur einen dunklen Rücken aus dem Wasser auftauchen und hört das fauchende Ausatmen. Aufgrund der Entfernung sieht man jedoch, wenn man das Ausatmen hört, oft nur noch den Wal verschwinden.

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Eisberge von Udkikken aus gesehen.

Die Stadt selbst ist ein sehr verträumter Ort. Es gibt einen Pilersuisoq, einen Laden, in dem es von der Babywindel über Kaffee bis zur Schraube und dem Jagdgewehr alles gibt, ein Hotel mit Restaurant, das gleichzeitig als lokale Touristinformation fungiert und eine Tankstelle gibt es auch. Zudem gibt es östlich der Stadt die Arctic Station, eine Forschungsstation, die seit 1906 das Klima, Flora, Fauna und Geologie untersucht. Diese gehört zur Universität Kopenhagen und bringt ein bisschen internationales Wissenschaftsflair nach Qeqertarsuaq.

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Kirche
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Haus des Inspektors

Von Qeqertarsuaq führen 3 markierte Wanderwege zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Der blaue Weg führt zum Lyngmarks-Gletscher, der rote Weg zum Wasserfall des Kuussuaq und der gelbe Weg nach Kuannit, einer Gegend mit vielen Basaltsäulen. Dort gibt es auch isotherme Quellen, die durch tiefliegende Wasserreservoirs gespeist werden und dadurch der Vegetation eine verlängerte Wachstumsperiode ermöglichen. Dort ist Grönland wirklich grün. Auch die Basaltformationen sind sehr beeindruckend, eine mutet wie eine Kirchenruine an. Die geringe Entfernung macht Kuannit zu einem beliebten Ausflugsziel für Touristen.

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Basaltformationen bei Kuannit

Ein weiterer Wanderweg führt, nur mit Steinmännchen markiert, auf den Innarsuaq, den Kormoranberg. Dieser ist 861m hoch und erlaubt einen Blick nach Norden durch das Blæsedalen zum Diskofjord. Der Aufstieg durch die steilen Hänge war nicht kompliziert, und oben tat sich eine flache Gerölllandschaft auf.

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Blick ins Blæsedalen

Nach einem verregneten Tag im Zelt brach ich dann auf ins Blæsedalen zum Diskofjord und nach Kangerluk, der einzigen dauerhaft bewohnten Siedlung der Insel außerhalb Qeqertarsuaqs. Anfangs folgte ich dem markierten Weg zum Wasserfall auf der Ostseite des Flusses, und auch dahinter gab es manchmal noch Pfade. Diese verloren sich aber meist schnell wieder, und ich begann meine Tour durch die wilde Grönlandische Natur.

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Eine Übersicht über die Route.

Ohne Pfad war das Vorankommen schwer, dazu hatte ich Verpflegung für 20 Tage dabei, reichlich 12kg Nahrung. Die Gefahr des Verlaufens bestand hingegen nicht, die Berge grenzen das Tal klar ab und führen direkt zum Diskofjord. Der Untergrund ist oft moosig und gibt oft viele Zentimeter nach. Daher kam ich, in Verbindung mit dem recht schweren Gepäck, nicht sehr gut voran.

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Durch dieses Mündungsdelta dreier Flüsse führte mein Weg.

Am Fjord angekommen wandte ich mich ostwärts, um durch das Mündungsdelta der Flüsse ins Daugaard-Jensen-Tal zu gelangen. In Qeqertarsuaq hatte man mich vor möglichem Treibsand in den Delten gewarnt. Entlang der Fjords wurde das Wasser dann stetig erdiger und der Strand matschiger, bis irgendwann das Delta begann. Zuerst gab es nur flache Matschbänke, die aber dann stetig trockener und steiniger wurden. Irgendwann beschloss ich, einfach quer zu gehen und traf auch schon balda auf den ersten Flussarm. Da trockenen Fußes kein Queren war, wechselte ich auf Gummischuhe und watete durch den kalten Fluss auf die nächste Kiesbank. In Anbetracht weiterer Flussarme sparte ich mir das erneute Umschuhen und wanderte dann in Furtschuhen über Kiesbänke. Der letzte Flussarm, relativ schnell fließend und mit trübem Wasser, hatte es in sich. Über kniehoch stand das Wasser und ich war froh, auf der anderen Seite meine eiskalten Füße zu trocknen und wieder in richtige Schuhe zu verpacken.

Entlang des Daugard-Jensen-Tal und auf den Pass Itinnerusaq ging es dann erstaunlich zügig. Auf der anderen Seite sollte es laut Karte warme Quellen geben, die konnte ich jedoch nicht finden. Entlang des nächsten Fjordarms ging es wieder in ein Mündungsgebiet, diesmal schien die Querung schwieriger. Schon wurde am Talende der Gletscher sichtbar, da fand sich doch eine Querungsmöglichkeit.

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Morgen am Fjord

Am nächsten Morgen begrüßte mich der Fjord spiegelglatt im strahlenden Sonnenschein. Entlang des steinigen Strandes kam ich schnell Richtung Westen voran und sah unterwegs auch einige Überreste von Sommerlagern der Einheimischen. Wie immer lässt sich Zivilisation leider zuerst am Vorhandensein von Müll erkennen. Das ist auch bei Menschen, die von und mit der Natur leben, offensichtlich nicht anders.

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Blick über den Fjord

Über eine Hügelkette und entlang des Fjords erreichte ich nach sieben Tagen Kanglerluk, eine Siedlung mit 22 Einwohnern, einer kleinen Fischfabrik, einem Laden und einer Poststation. Autos gibt es keine, dafür viele Boote, einige Schneemobile und ein Quad. Rund vier Bootstunden von Qeqertarsuaq entfernt gibt es hier nicht viel, das junge Menschen vor Ort hält, so hatte der Ort einst über 100 Einwohner. Wie in jeder Siedlung gibts es jedoch eine Funkzelle, und selbst bei der Robbenjagd auf dem Fjord ist das Smartfon immer dabei.

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Kangerluk, das Ende der Welt

Englisch ist nicht weit verbreitet, aber mit Lars, einem alten Mann, konnte ich mich ganz gut verständigen. Die lokale Gemeindevertreterin, ebenfalls rudimentären englischs mächtig, bot mir ein Zimmer im Verwaltungs- und Gästehaus an. Zum ersten Mal seit Langem habe ich also nicht im Freien geschlafen, duschen können und an einem Tisch Tagebuch geschrieben. Auch die Klamotten waren dringend waschbedürftig und zumindest die oberen Dreckschichten wurde ich durch die Handwäsche los. In Kangerluk steht auch ein Denkmal für Jakob Danielsen, genau 127 Jahre vor meiner Ankunft ist er hier geboren.

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Kangerluk von oben

Die Landzunge, auf der Kangerluk liegt, wird vom Qilertaa beherrscht, einem typischen Berg der Gegend. Steile Abhänge umgeben ein flaches und steiniges Hochplateau. Von diesem Berg hatte ich, ohne Gepäck flog ich förmlich durch die Landschaft, atemberaubende Ausblicke über den Fjord und die weiter nördlich gelegenen Gebiete. Dorthin wollte ich ursprünglich meine Tour noch ausdehnen, aber das war dann leider doch zu weit. So blieb es bei einem sehnsuchtsvollen Blick in grandiosem Wetter.

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Blick nach Norden

Zurück im Dorf konnte ich beobachten, wie ein Boot vom Jagen auf dem Fjord zurück kam. Im Hafen angekommen konnte ich beobachten, wie die erlegte Robbe zerlegt und verpackt wurde. Erst wird sie ausgezogen, dann in Einzelteile geteilt, das sieht garnicht so schwierig aus. Schlussendlich bekam ich noch einen kleinen Teil der Robbe geschenkt, und so ging ich mit eine frischen blutigen Stück Robbenfleisch nach Hause. Später bekam ich von der Frau aus dem Laden noch eine frische Forelle geschenkt, so hatte ich zwei opulente Mahlzeiten.

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Einheimisches Essen: Forelle und Robbenfleisch

Am nächsten Tag brachte mich ein Jäger aus dem Dorf für etwas Benzingeld auf die andere Seite des Fjords. Dort war mir eine weitere verlassene Siedlung angekündigt, es stellte sich jedoch als verlassene Militärbasis heraus.

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Der 1975 aufgegebene LORAN-Stützpunkt in Nipisat.

Der Stützpunkt Nipisat gehörte zum LORAN-System, einem mit Sendestationen versehenen Navigationssystem der Nachkriegszeit. Über den LORAN-Stützpunkt in Nipisat gibt es eine eigene Seite. Die Gebäude sind in schlechtem Zustand und fast alles ist stark zerstört, Wind und kalte Winter haben viel zernagt und den Rest haben wohl Besucher erledigt. Von den großen Stahltanks, die einst wohl das Brennstoff-Lager waren, gibt es einen guten Ausblick über die weitläufige Anlage.

Dort wollte ich jedoch nicht über Nacht bleiben, also machte ich mich auf den Weg nach Südosten. Eine einsame Schutzhütte bot mir dort Unterkunft für die Nacht, und mein Weg setzte sich fort durch das Hochtal Tukingasoq. Das Wetter wurde nebliger, feuchter und kälter und allgemein war es dort recht karg und ungemütlich.

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Der Sommer geht vorüber

Der Weg zurück nach Qeqertarsuaq führte mich durch ein sehr feutchtes Flussdelta bei Kuup Akna und entlang der Südküste. Dieser Abschnitt war möglicherweise einer der schwersten. Einerseits musste ich oft sehr weit den Berg hinaufsteigen, um die felsigen Vorsprünge der zerklüfteten Küste zu umgehen, andererseits war auch nach der langen Wanderung die Energie verbraucht und meine Lust auf geistige Tätigkeiten war wieder erwacht.

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Steinige Tour zurück nach Qeqertarsuaq

Zurück in Qeqertarsuaq kam mir die Stadt aufeinmal wie das pulsierende Leben vor. Überall gab es Menschen, Autos fuhren herum und der Laden hatte fast ständig geöffnet, alles ein großer Kontrast zu den letzten Wochen.

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Blick über Qeqertarsuaq, im Vordergrund die Arktisk station.

Die verbleibenden Tage verbrachte ich damit, den Lyngmarksgletscher zu besteigen und das Heimatmuseum im Haus des Inspektors anzusehen. Dort gab es auch Bilder von Jakob Danielsen zu sehen, die ich nun mit einigem Interesse betrachtete.

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Abschied von Qeqertarsuaq

Inzwischen war es Ende August und der Sommer neigte sich spürbar dem Ende entgegen. Meine Fähre trug mich durch die Abendsonne in reichlich vier Stunden zurück nach Ilulissat, wo ich mein Zelt am Flughafen erst im Dämmerlicht aufstellte. Ein letztes Mahl speiste ich, trotz Kälte draußen, und mit wunderbarem Blick über die mit Eisbergen übersääte Diskobucht. Am nächsten Morgen ging es dann mit dem ersten Flieger nach Kangerlussuaq und dann - das erste Mal wieder Sicherheitskontrollen - nach Kopenhagen. Dort gab es Lärm, Dunkelheit und ekliges Leitungswasser, aber auch Essen und Menschen. Aber das ist eine andere Geschichte…

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Abschied von Grønland